Bericht von Jonathan Faber

Bericht von Jonathan Faber

2022, das ist das Jahr in dem wir Leben.
Das Jahr wo wir dachten, wir hätten COVID-19 einigermaßen im Griff und es könnte der erste „normale Sommer“ seit einiger Zeit werden.
Doch statt Corona bewegt uns momentan der Krieg in der Ukraine, welcher aus völlig unergründlichen Gründen gestartet wurde.
Die Medien berichten davon 24/7 und jeder ist froh, wenn im Radio statt „Krieg“ auch mal wieder normale Musik läuft.
So ähnlich lautete meine Antwort als ich gefragt wurde, wie denn momentan die Lage in Deutschland so sei.

Mein Name ist Jonathan Faber, 29 Jahre alt und ich bin der Sohn von Simone Faber.

Im folgenden Text möchte ich Ihnen/Euch einen kleinen Einblick geben, wie meine Reise in die Ukraine verlief.

Ich machte mich am Freitagmorgen gegen 6 Uhr, mit meinem Bruder Samuel, auf den Weg um einen Hilfstransport in die Ukraine zu starten.

Dieser wurde völlig spontan geplant und durchgeführt.
Das benötigte Material wurde einen Tag zuvor organisiert und gekauft.

Natürlich macht man sich davor so seine Gedanken, wie die Lage aktuell im Kriegsgebiet ist, werden wir überhaupt bis ins Land reinkommen, wie läuft das mit der Ausreise ab oder kommen wir überhaupt wieder heil nach Hause???
Ich meine dort herrscht Krieg !

Wir fuhren jedenfalls am Freitag nach Polen/Krakau um dort unseren Kontakt zu treffen und um dort zu schlafen.
Samstagmorgen 5 Uhr ging der Wecker, 6 Uhr war Abfahrt Richtung Korczowa-Krakowiec. Das ist der Grenzübergang zur Ukraine, welcher mir ja durch vorherige Reisen bekannt war.
Nur nicht in diesem Ausmaß.
Schon als wir auf polnischer Seite den Grenzübergang befuhren, sahen wir Massen an Menschen die auf ihren Bus warteten.
„Die haben es schon geschafft“ haben mein Bruder und ich gesagt.
„Wer hier steht, hat das schlimmste bereits hinter sich“
Doch wie schlimm das ganze Ausmaß dieses sinnlosen Krieges ist, hätten wir uns im Leben nicht ausmalen können.

Wir fuhren also aus Polen heraus und reisten in die Ukraine ein.
Nach Pass und Ladungskontrolle stoppten wir noch im Grenzgebiet.

Wir erfuhren das wir hier vor Ort „Volunteers Arbeit“ machen.
Zu deutsch, freiwilligen Arbeit.
Es stand ein doppelter gelber Pavillion mitten im Grenzgebiet, welcher wie es sich herausstellte, der Organisation gehörte, welcher wir uns angeschlossen haben.
Dort wurden Schokoriegel/Brot/Obst/Getränke abgeladen.
Alles was man ohne weiteres verzehren kann wurde uns mitgeteilt.
Unter anderem wurde auch heißes Wasser gekocht um damit Schwarztee zu kochen und zu verteilen.

Wir machten uns dann anschließend für knapp 3 Stunden vor Ort auf den Weg um das Essen oder den noch heißen Tee zu verteilen, was ein Segen war, denn es hatte knapp 1-2 grad und der Wind war unerbittlich kalt.
Einzige Voraussetzung hierfür war eine Warnweste.
Ok dachten wir, die haben wir ja im Auto.
Somit ging es los.
Wir überschritten die Grenze und ich persönlich musste erst einmal verstehen was hier gerade für ein Film läuft.
Aber nein das war die Realität…überall waren Menschen die ihr Land verlassen mussten. Es waren Zelte zur Notversorgung aufgestellt.
Alles war komplett überfüllt. Überall war Müll, der teilweise in alten Ölfässern verbrannt wurde, welche dunkelqualmend vor sich her brannten.
Mensch an Mensch standen diese Leute in einer Schlange die man gar nicht beschreiben kann.
Alle viertel/halbe Stunde wurden dann immer blockweise die Leute durch den Grenzzaun Richtung Passkontrolle geleitet.
Diesen Grenzzaun den wir alle paar Minuten völlig problemlos passierten um den Menschen was zu trinken oder zu essen zu bringen.
Allein diese Vorstellung bringt einen sehr zum Nachdenken.

Als kleines Beispiel um das ein wenig zu verdeutlichen
Die meisten von Ihnen/Euch waren sicherlich schon einmal auf einem Konzert oder einem Fußballspiel.
Wenn das ganze vorbei ist möchte jeder nach Hause und es gibt einen riesigen Ansturm.
So in etwa müsst Ihr/Euch das vorstellen, nur mit der traurigen Ausnahme das dieser Zustand aktuell dort 24/7 herrscht.

Als alle zusammen entschieden das es für die größtenteils Männer, weiter richtig Lwiw geht, blieben die Frauen vor Ort um weiter den Menschen vor der Grenze zu helfen und ihnen was zu Essen oder was warmes zu trinken zu bringen.

Wir fuhren weiter nach Lwiw, haben hierbei unseren Kontakt aus Polen völlig aus den Augen verloren, weil ein immenses Chaos herrschte. Aber Gott sei Dank wurden alle Autos mit Roten Kreuzen beklebt.
Wir fuhren also dem überbleibenden Konvoi hinterher.
An der „Abladestelle“ angekommen wurde erst einmal grob sortiert.
Was bleibt hier oder was geht weiter.
Uns wurde erklärt das vor Ort Essen/Hygieneartikel und alles dergleichen bleibt.
Also wurde unser Auto so gut wie leer, andere Busse wurden völlig spontan und alles unter Zeitdruck umgeladen, denn viele Medikamente und Verbandsmaterial wurde zur Polizei gebracht, welche dann das Material an das Militär übergab.
Zeitdruck deshalb, weil es dunkel wurde.
Und der Russe nur angreift wenn es dunkel ist.
Aber auch weil wir uns im Anschluss auf den Weg zum Bahnhof in Lwiw machten.

Es war bereits 18 Uhr und somit dunkel. Was die ganze Situation nicht wirklich entspannter machte.
Einige von Ihnen/Euch hat vielleicht jetzt schon mitbekommen, das das ganze alles andere als entspannt war.
Die Pläne änderten sich bald minütlich und es musste irgendwie gehandelt werden.

Wir waren also am Bahnhof in Lwiw angekommen, was eine völlige Herausforderung war.
Ein Konvoi aus mehreren großen Transportern durch eine Stadt die völlig überseht war von Fahrzeugen, weil jeder zu diesem Sammelpunkt musste und wir mehr oder weniger eine Frist hatten um wieder 80 Kilometer zurück zur Grenze zu kommen. Also wurde kurzerhand entschieden das wir uns nicht im Stau anstellen sondern, alle mit Warnblinkern, einfach das Straßenbahnnetz nutzen um so schnell wie möglich an den Bahnhof zu kommen.
Vor Ort, Ausnahmezustand !
Der Platz war komplett gefüllt mit Reisebussen/Linienbussen und Kleinbussen.
Menschen liefen überall, völlig überfordert mit der ganzen Situation, herum.
Alles lief für die Menschen vor Ort kostenfrei ab. Die Busse wurden bis vorne hin voll gemacht, sodass lediglich der Fahrer noch ohne Einschränkungen lenken konnte.
Wir luden einen unserer Transporter in einen andern um, welcher weiter ins Landesinnere fuhr.
Beinahe zeitgleich wurde unser Auto auch beladen. Jedoch nahmen auch wir Flüchtlinge mit zur Grenze zurück, denn der Transporter war leer und mit Sitzbänken bestückt.

Eine Situation die mich persönlich hier sehr beschäftigt hat und das auch noch sehr lang wird war wie folgt.
Ein Mann brachte seine Frau, Tochter und Mutter zu uns und fragte ob wir zur Grenze fahren.
Wir sagten ja und luden sie ein doch bei uns einzusteigen. Unter Tränen stieg seine Familie zu uns in den Transporter. Er blieb noch sehr lange an der Tür stehen bis weitere Leuten kamen und bei uns einzusteigen.
Jedoch stand er die ganze Zeit neben dem Auto bis wir uns auf den Weg zur Grenze machten.
Zwischendurch kam der Familienvater zu uns um sich bei uns zu bedanken und wollte uns zum Dank jeden eine Schachtel Zigaretten schenken. Welche wir ablehnten. Er hat sich mit uns unterhalten und meinte: „Ich muss zur Armee“.
Wir alle wissen was das mit sich bringt.
Wird er jemals seine Familie wiedersehen?
Seine Tochter weinte sich bei uns im Bus in den Schlaf.
Dieses Erlebnis werde ich so schnell nicht vergessen.
Und wir stellten uns wieder die Frage…wie und warum kann und muss sowas heutzutage noch passieren?
Hat die Menschheit nichts aus der Vergangenheit gelernt?
Natürlich macht man sich persönlich seine Gedanken, weiß aber auch genau das dazu aktuell keine Zeit ist.
Wir mussten zur Grenze !

Es war mittlerweile 20:00 Uhr als wir uns auf den Weg zur Grenze machten.
Ca. 7 Kilometer davor fing die Fahrzeugschlange an. Jeder wollte raus, so viele die einfach nur verzweifelt waren.
Wir ließen uns sagen das man mit dem Auto ca. 4 Tage braucht um auszureißen.

Unter Polizeibegleitung kam unser Konvoi, welcher mittlerweile aus 9 Reisebussen und mindestens 10 Transportern bestand, an allen vorbei.
Natürlich wieder im Gegenverkehr, weil wir hatten ja Polizeischutz und alle waren permanent mit Warnblinkern unterwegs.
Was das fahren bei Nacht nicht einfacher macht, wenn alles am blinken ist und man eigentlich total müde.
Wir fuhren soweit es ging vor, bis zum Stillstand. Wir wussten das es noch ein gutes Stück zur Grenze ist.
Die einzige Aussage des Organisator war.
„ Jungs ihr müsst dran bleiben, wenn ihr uns verliert müsst ihr 4 Tage an der Grenze stehen und warten“
Und wir mussten beide wieder am Montag um 7:00 Uhr zur Arbeit erscheinen.
Was uns in dem Moment aber völlig egal war, denn wir hatten eine um Welten wichtigere Aufgabe.

Nach ca 2 Stunden anstehen ging es irgendwie weiter.
Es wurde organisiert das wir direkt durchfahren konnten ohne uns in der offiziellen Schlange einzureihen.
Jedoch haben wir in dem ganzen Chaos unseren Kontakt verloren.
Wir fuhren vor bis zum Grenzzaun und bekamen unseren „Laufzettel“. Jedoch wussten wir gar nicht wo wir denn jetzt lang fahren mussten.
Im ganzen Chaos haben wir 3 weitere Transporter gefunden, wo wir wussten, die waren mit uns unterwegs.
Wir befuhren also das Grenzgebiet, natürlich wurde hier wieder irgendwie organisiert das wir das in der verkehrten Richtung befahren durften, wir waren also wieder „Geisterfahrer“.
Wir hatten die Möglichkeit unsere Passagiere direkt vor dem Passgebäude abzusetzen.
Das war für mich persönlich auch die einzige positive Nachricht an diese Menschen.
Jeder von ihnen hat sein ganzes Hab und Gut zurück gelassen.
Und viel schlimmer noch, Familien wurden getrennt.
Die Frau, wessen Mann sich bei uns explizit bedankt hat, kam unter Tränen zu mir und bedankte sich.
In diesem Moment wünschte ich mir, das ich sie sprachlich hätte verstehen können um mit ihr reden zu können.
Aber trotz allem hatte sie eine Dankbarkeit , die wir in unserem Land leider über die Jahrzehnte verloren haben.
Und das bewegt mich zutiefst.
Trotz allem war diese Frau so dankbar.
So dankbar über was, wo wir uns denken würden, „ach ich wäre doch eh den Weg gefahren“.

Alle waren ausgestiegen und wir wussten nicht so recht ob wir die Grenze in verkehrter Richtung verlassen dürfen.
Wir waren also zur Passkontrolle auf Ukrainischer Seite.
Zeigten unsren „Laufzettel“ und bekamen nur, weiterfahren gestikuliert.
Alles sehr seltsam, wir kamen zur nächsten Kontrolle.
Im „Niemandsland“ zwischen den beiden Ländern, schickte man uns auch ohne Beanstandung weiter und vernichtete unseren „Laufzettel“.
Wir waren also wieder auf polnischen Boden.
Durchliefen die Passkontrolle und konnten erstmals wieder aufatmen.
Ich schaute meinen Bruder an und meinte.
Das war alles? Können wir jetzt echt aus dem Grenzgebiet fahren?
Er selbst war auch erstaunt.
Aber tatsächlich war es so, das wir wieder offiziell in Polen waren.
Wir hatten also eine Ausreise aus der Ukraine nach Polen in genau 15 Minuten absolviert. Ich habe bis heute keine Ahnung wie das funktioniert hat, aber über alle diesem Stand Gott!

Aus zeitlichen Gründen, entschieden wir uns keine weitere Nacht in Polen zu verbringen und stattdessen irgendwie direkt nach Hause zu fahren.
Wir sind unversehrt zuhause ankommen!

Im Nachhinein war das eine völlig unrealistische Tour.
Wir haben zu zweit über 3100 Kilometer zurückgelegt.
Wir wurden beide von unseren Arbeitgebern freigestellt, damit wir schon Freitags los fahren konnten.
Geschlafen wurde recht wenig, aber trotzdem standen wir unter Gottes Schutz.
Der Gott, der uns unsere komplette Tour begleitet hat, der dieses ganze Geschehen erst möglich gemacht hat.
Und dafür möchte ich danke sagen und vorallem dankbar sein !

Dieses Wort dankbar hat für mich,nach dieser Tour, eine völlig neue Bedeutung bekommen.
Wir sollten für vieles so dankbar sein. Sei es nur, das wir morgens lebendig aufwachen und wissen, das wir in Frieden leben dürfen und unsere Liebsten um uns haben.

Ich möchte mich auch bei Ihnen/Euch bedanken.
Für alle Gebete und Anteilnahme.
Vielen herzlichen Dank.

Euer Jonathan

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